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In der Geschichtsschreibung der Salierzeit

So wie die politischen Kräfte im letzten Drittel des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts gespalten waren zwischen regnum und sacerdotium, zwischen Königtum und Fürsten­opposition, so diametral waren auch die Aussagen der Chronisten, Annalisten und Vitenschreiber jener Zeit. Je nach dem Lager, dem sie sich zugehörig fühlten, ergingen sie sich in Diffamierungen der Gegenseite und verstiegen sich in wahre Hasstiraden. Es war nicht das Anliegen wertungsfreier Berichterstattung, das die Schreiber zum Federkiel greifen ließ, ihre Werke wollten von vorn herein Partei ergreifen, den Standpunkt der jeweiligen Seite rechtfertigen und der offensiven Agitation dienen. Dies muss man wissen, sucht man in den Quellen nach der historischen Wahrheit.

Eines der blutvollsten Werke zur Innenpoltik des noch jugendlichen Königs Heinrich IV. ist Brunonis Saxonicum bellum. Die Leidenschaft, mit der der Erzsachse Bruno von Magdeburg die Sache seiner Stammes-Genossen vertrat, trübte ihn den Blick. Für ihn befand sich der König von vornherein im Unrecht. Das Setzen auf die unfreien Ministerialen und seine Kirchenpolitik galten ihm als Beweis seiner moralischen Minderwertigkeit, GIemens VII. dagegen galt ihm als „Haupt der Christenheit“. Bei Bruno findet sich der erste Hinweis auf Wiprecht. Es heißt im Vorfeld der 1079 statt gefundenen Schlacht bei Flarchheim:

„Sed ille solita calliditate Saxones ab invicem multa promittendo diviserat, ut non dui ante diem proelii Widekin, Wiprecht et Theodericus, Geronis filius, cum multis aliis a Saxonibus ad hostes transirent …“(1) (Er – Heinrich – aber hatte mit gewohnter Verschlagenheit die Sachsen durch Versprechungen unter sich gespalten, so dass nicht lange vor dem Tag der Schlacht Widekin, Wiprecht und Theoderich, Geros Sohn, mit vielen anderen Sachsen zu den Feinden übergingen …)

Wiprecht scheint sich unverzüglich in die Dienste Wratislaws II. von Böhmen, dem Sieger von Flarchheim, begeben zu haben, denn er kämpfte 1080 bereits siegreich auf der Seite der Böhmen gegen die Sachsen. Noch im gleichen Jahre zieht er mit Borwoi, dem Sohn des Böhmerherzogs, im Heere König Heinrich IV. gegen Papst Gregor VII.
Eine auffällige Übereinstimmung mit den Annales Pegavienses findet sich in der Vita Heinrici IV imperatoris(2) eines dem Kaiser Heinrich IV. gewogenen anonymen Autors. Hier ist es ein Schildknappe, der während einer Kampfpause eine unbewachte Stelle an der Stadtmauer von Rom ausmachte, über die die Belagerer in die Stadt eindrangen. In den Pegauer Annalen ließ Wiprecht „einen seiner Leute, Namens Raz, einen rührigen und gewandten Mann, zu sich kommen und forderte ihn auf, rings die Mauern zu besehen und sorgfältig zu prüfen, ob er irgend eine Gelegenheit ausfindig machen könnte, wo sie die Mauern ersteigen und in die Stadt eindringen könnten.“

In den nächsten zwei Dezennien fließen die Nachrichten über Wiprecht spärlich. Er taucht nur hier und da als Zeuge bei Beurkundungen auf. So in den großen Geschichtswerken seiner Zeit taucht er erst wieder im Spannungsfeld zwischen Heinrich Vater und Sohn zu Beginn des 12. Jahrhunderts auf, dann aber gleich mehrfach.

Das Jahr 1105 sieht ihn noch als Parteigänger des in Bedrängnis geratenen Kaisers. Er ist es, der nach dem Treffen am Regen den auf der Flucht befindlichen Kaiser dem er Jahrzehnte in Treue gedient hatte, sicher an den Rhein geleitet. Die Ekkehardi chronica enthält dazu:

„Audiens interim rex patrem suum apud Wigpertum quendam illustrissimum et pruden- tem virum, qui patribus in illis, quas Sorabi inhabitant, principabatur, esse repertum usque ad Rhenum illi ducatum – hoc enim per legatos ipse supplicabat – administrari permissiv …“(3) (Inzwischen vernahm der König, man habe seinen Vater bei Wipert angetroffen, einem erlauchten und klugen Mann, der in den von den Sorben bewohnten Gebieten die Herrschaft inne hatte, und er erlaubte ihm -darum hatte dieser nämlich selbst durch Gesandte gebeten-, dem Kaiser Geleit bis an den Rhein zu geben …)

Ein Jahr danach befindet sich Wiprecht, wohl überzeugt von der ausweglosen Lage des gebannten Kaisers, im Lager des Königs. Er nahm am Mainzer Hoftag Heinrich V. teil. Wiprecht wurde als Unterhändler zu Heinrich IV. gesandt, der sich in Böckelheim aufhielt, die Herausgabe der Reichskleinodien zu fordern. Kaiser Heinrich IV. beklagte sich in einem Brief an den König von Frankreich über die Treulosigkeit seines Sohnes:

„In illis penitentie et tribulationis mee diebus a filio meo missus venit ad me quidam prin- cipum Wipertus, dicens nullum vite mee esse consilium, nisi sine ulla contradictione omnia regni insignia redderem ex voluntate et imperio principum“(4) (In jenen Tagen der Reue und der Trübsal sandte mein Sohn den Fürsten Wipert zu mir, der mir sagte, es gebe keine Aussicht, mein Leben zu bewahren, wenn ich nicht widerspruchslos sämtliche Reichsinsignien nach dem Willen und Geheiß der Fürsten auslieferte.)

Danach wurde Wiprecht von König Heinrich V. mit einer bischöflichen Delegation zu Papst Paschalis II. nach Rom geschickt. Graf Adalbert von Görz und Tirol, ein Parteigänger Heinrich IV., brachte die Gesandtschaft in seine Gewalt. Die Ekkehardi chronica berichtet über diesen Vorfall:

„Reliqui, ut diximus, magnates, ut nimirum a stultissimo captivatore deprehensi, tractan- tur indigne preter Ottonem Babenbergensem episcopum, cui idem Adelbertus, eo quod suus esset miles, parcere cogebatur, Quo etiam mediante Bruno Trevirensis episcopus et Wibertus comes eo pacto dimittuntur, quatinus eximperatorem cum illo pacem facturi conveniant et, quid de reliquis ipse precipiat, relaturi redeant.“(5) (Die übrigen Großen, die, wie wir sagten, von den allertörichtsten Häscher ergriffen worden waren, wurden unwürdig behandelt, außer Bischof Otto von Bamberg, den Adalbert schonen mußte, weil er sein Vasall war. Durch seine Vermittlung wurden Bischof Bruno von Trier und Graf Wibert unter der Bedingung entlassen, daß sie den Exkaiser aufsuchten, um mit ihm Frieden zu schließen; dann sollten sie zurückkehren, um zu berichten, was er selbst in bezug auf die übrigen befehle.)

Wiprecht verbleibt nach dem Tod Heinrichs IV. in der Gefolgschaft Heinrich V. Als dieser im Zusammenhang mit Zwistigkeiten um die böhmische Thronfolge seinen Sohn, Wiprecht den Jüngeren, gefangen setzt und er ihn durch Herausgabe größerer Besitztümer freikaufen musste, stellte er sich auf die Seite einer erneuten Fürstenopposition. Über dieses Ereignis berichten gleich zwei Quellen, die Anonymi Chronica Imperatorum Henrico V. dedicata und die Ekkehardi chronica. Ekkehard von Aura berichtet zum Jahre 1112 über Pfalzgraf Siegfried, den Neffen von Wiprechts zweiter Gemahlin Kunigunde, „…ut tarn ducem Lotharium, quam Rudolfum marchionem, Friedericum palatinum comitem, Wigbertum atque Ludewicum nonnullosque alias ab obsequio traheret imperatoris.“(6) (… daß er sowohl Herzog Lothar als auch Markgraf Rudolf, Pfalzgraf Friedrich, Wipert und Ludwig und einige andere vom Gehorsam gegen den Kaiser abbrachte.)

Heinrich V. schlug die Rebellion Anfang des Jahres 1113 nieder „… inter que sepedictus Sigifridus palatinus comes … occubuit, Wigbertus capitur, Ludewicus ad deditionem compellitur.“(7) (… dabei fiel der oft genannte Pfalzgraf Siegfried … Wipert wurde gefangen genommen und Ludwig zur Unterwerfung gezwungen.)

In der Kaiserchronik (Anonymi chronica imperatorum) heißt es dazu:

„Lothario dux, Sigifridus predictus, Rudolfus marchio, Wigbertus senior, Fridericus pala- tinus comes et Luodewicus comes rebellationem contra imperatorem parant, quos ipse si ne mora cum exercitu petens incendiis et munition um destructionibus infestare non cessavit, donec ab eius fidelibus Sigifrido perempto, Lothario et Rudolfo reconciliatis, Friderico, Wigberto seniore iuste captis et custodie deputatis, fortuna immo Christi gratia rebus finem dedit.“(8) (Herzog Lothar, der erwähnte Siegfried, Markgraf Rudolf, Wipert der Ältere, Pfalzgraf Friedrich und Graf Ludwig zettelten einen Aufstand gegen den Kaiser an; dieser griff sie unverzüglich mit einem Heer an und bedrängte sie unablässig durch Brandschatzung und Zerstörung ihrer Befestigungen, bis von seinen Getreuen Siegfried getötet, Lothar und Rudolf wieder versöhnt, Friedrich und Wipert gefangen gesetzt worden waren und so Fortuna, oder besser die Gnade Christi, diesen Ereignissen ein Ende setzte.)

Entgegen den zeitlichen Angaben der Kaiserchronik und der Chronik Ekkehards von Aura setzen die Pegauer Annallen die Ereignisse erst ins Jahr 1114 an. Nach diesen letzten Erwähnungen Wiprechts in den epochalen Chroniken der Salierzeit taucht sein Name dort nicht wieder auf.

Quellen
(1) Brunonis Saxonicum bellum, in: Ausgew. Quellen zur deutsch. Gesch d. MA, Bd. XII, Darmstadt 1963, S. 380 Zeilen 2 ff.
(2) Vita Heinrici IV. imperatoris, a. a. O. Bd. XII, S. 432 Zeile 2 ff.
(3) Ekkehardi chronica, in: Ausgew. Quellen zur deutsch. Gesch. d. MA, Bd. XV, Darmstadt 1972, S. 198 Zeilen 4 ff.
(4) Epistolae Heinrici IV., in: Ausgew. Quellen zur deutsch. Gesch. d. MA Bd. XII, S. 128 Zeilen 10 ff.
(5) Ekkehardi chronica, a. a. O. Bd. XV, S. 276 Zeilen 10 ff.
(6) Ekkehardi chronica, a. a. O. Bd. XV, S. 308 Zeilen 30 ff.
(7) Ekkehardi chronica, a. a. O. Bd. XV, S. 310 Zeilen 13 ff.
(8) Anonymi chronica imperatorum, in: Ausgew. Quellen d. deutsch. Gesch. d. MA Bd. XV, S. 260 Zeilen 24 ff.

Geschrieben von Tylo Peter (1994) / Projektgruppe „900 Jahre St.-Jacobs-Kloster“ des Heimatvereines des Bornaer Landes e. V.