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Sein Leben nach den Jahrbüchern des Klosters Pegau

Die Regeln des Benediktinerordens erlaubten es jedem Mönch neben den klösterlichen Pflichten seinen Neigungen nachzugehen. In dem 1091 von Wiprecht II. von Groitzsch gegründeten benediktinischen Kloster zu Pegau lebte um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein Mönch, der sich zur Historienschreibung hingezogen fühlte. Weitab von den Zentren des politischen Geschehens fehlte es ihm aber in seinem Kloster an authentischem Material. Nur wenig Kunde drang hierher an den Rand der Zivilisation. Und so nahm der geschichts­beflissene Mönch, der seinen Namen zu überliefern für nicht wert befunden hatte, mit dem vorlieb, was ihm zur Verfügung stand. Zunächst schrieb er auf zweihundert Pergament­blättern die Weltchronik des Eckehard von Aura ab, um sich dann, quasi eine Etage unterhalb der Weltgeschichte, mit seinem Kloster und dessen Stifter zu befassen.

In der Vorrede seiner in Mönch-Latein verfassten Lebensbeschreibung des Grafen Wiprecht II. von Groitzsch, der reichlich zwölfeinhalb Blätter umfassenden vita wigperti, bemerkt er: „Es soll alles einfach und ohne Weitläufigkeit verfaßt werden, so wie ich es von solchen Leuten erfahren habe, die um alles gut gewusst haben und teils den Sachen in eigener Person beigewohnt hatten.“

So einer, der den Sachen in eigener Person beigewohnt hatte, ist der greise Windolf gewesen. Er, der dem Pegauer Kloster fünfzig Jahre als Abt vorgestanden hatte, ehe er sein Amt 1150 in jüngere Hände legte, war ein Kenner der Lebensgeschichte Wiprechts, dem er über lange Jahre ein Weggefährte gewesen ist. Wiprecht hatte ihn 1101 aus dem Kloster Corvey nach Pegau geholt, um seine ins Stocken geratene Klostergründung wieder in Gang zu bringen. Unter seiner segensreichen Führung erblühte das Benediktinerkloster, es wurde ein Hort des geistigen Lebens und Ausgangspunkt einer weit nach Osten ausstrahlenden Christianisierung und Kolonialisation. Abt und Mönche waren stolz darauf, dass ihr Kloster dem Heiligen Stuhl in Rom direkt und nicht dem Bischof von Merseburg unterstellt war. Die dies besiegelnde Urkunde Papst Paschalis II. (1099–1118) aus dem Jahre 1104 wurde im Kloster wohl behütet und im vollen Wortlaut in die Annalen aufgenommen.
Nichts liegt näher, als dass Windolf am Ende seiner Tage dem Klosterstifter und Freund ein Denkmal setzen wollte. Und so erzählte er dem geschichtsschreibenden Mönch, wovon er wusste. Er setzte alles daran, das Leben und Wirken Wiprechts in einem solchen Lichte erscheinen zu lassen, wie es der Bedeutung und dem Ansehen seines Klosters zukam. Schließlich war von hier aus der mächtige Bannwald zwischen Wyhra und Mulde gerodet und besiedelt worden. Er lässt den Stifter als strahlenden Helden und grimmen Kriegsmann erscheinen, der sich in weltliche Schuld verstrickt, zur Rettung seines Seelenheils ein Kloster gründet, um schließlich darin im Frieden mit Gott sein Leben als Mönch zu beschließen. Die vita wigperti steht damit ganz in der Tradition ihrer Zeit, indem sie den Klostergründer glorifiziert.

Der Schreiber beginnt die gesta zunächst ohne chronologisches Gerüst. Erst nach der wörtlichen Übernahme einer Eintragung Ekkehards zum Jahre 1079 versucht er die Ereignisse bestimmten Jahren zuzuordnen. Die Jahreszahlen 1081 bis 1089 hat er dann eingetragen (Blatt 204 v, Zeile 16–18) ohne dazu etwas zu schreiben. Dies aber hatte er im vorangegangenen gerade getan. Gleiches passiert ihm an anderer Stelle nach ein mal. Im Folgendem hält er sich nun aber die Berichterstattung zu einzelnen Jahren.

Nach dem Tod Wiprechts 1124 fehlt es dem Berichterstatter offensichtlich an Stoff. Er schreibt für die Jahre 1125 bis 1137 die Erfurter Peters-Chronik und an zwei Stellen auch die Magdeburger Annalen wörtlich ab. Seine letzte Eintragung stammt aus dem Jahre 1149. Danach führt ein zweiter, ebenso unbekannter Mönch die Pegauer Annalen bis zum Jahre 1227 fort. Er holt zunächst für die Jahre 1140 bis 1149 einige Einzelheiten nach; bei Textabhängigkeit benutzt er die Magdeburger Annalen. Für die Jahre 1176 bis 1181 zeigt er sich recht gut unterrichtet, weil sich unter Kaiser Friedrich Barbarossa die Reichsgeschichte zum Teil im benachbarten Thüringen abspielte. Die Annales Pegavienses füllen die Blätter 200 bis 224 des Codex. Den Abschluss bildet auf den Blättern 225 bis 232 die Abschrift der Chronik von Goseck.
Der Codex mit dem die Lebensbeschreibung Wiprechts enthaltenen Pegauer Annalen überstand in der Klosterbibliothek alle Wirren der Zeit. Nach der Säkularisation des Klosters übereignete Kurfürst Moritz den Buchbestand, ausgenommen einige der Pegauer Laurentiuskirche zu gottesdienstlicher Nutzung überlassener Schriften der Universität Leipzig. Diese bestätigte unter dem 29. November 1553 denselben empfangen zu haben und verpflichtet sich, „sulche bucher lauts des rescripts nirgent anders dan in der unversitet bibliotheca gebrauchen wollen, da sie dan auch idertzeit zcu finden seyn sollen.“ Unter den der Universität übergebenen Büchern befanden sich auch die Pegauer Annalen.

Die Menschen der Renaissance nahmen regen Anteil am Schicksal großer Helden der Vergangenheit und so ließ die erste Verdeutschung der vita wigperti auch nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1556 erschien Ernst Brottuffs „Schöne alte Historia von den Teuern Kriegshelden“ mit haarsträubenden Randbemerkungen des Übersetzers.

Solider war dann schon Reiner Reineck von Steinheims „Chronica von dem löblichen, Theuren Heide, Graff Wiprechten zu Groitzsch in Meissen, folgends Marggraffen zu Lausitz, Und Burggraffen zu Magdeburg etc. Anfenglich von einem Mönche des Closters Pegau in Latein beschrieben, nunmehr aber menniglich zu nutz, in die deutsche Sprach gebracht … gedruckt in Eisleben 1584.“
Anderthalb Jahrhunderte danach brachte 1749 der Dresdner Kreuzschuldirektor Christian Schöttgen seine Historie des berühmten Helden Graf Wiprechts zu Groitzsch … heraus. Und schließlich setzten sich im 19. Jahrhundert die Historiker Dr. Theodor Flathe (1864) und Dr. G. Blumenschein (1882) mit der vita wigperti auseinander. Der lateinische Urtext wurde 1859 von Pertz in die Monumenta Germaniae aufgenommen. Dieser lag einer erneuten Übersetzung zugrunde, die 1899 von Hermann Günther in Pegau gedruckt und verlegt worden ist. Im Vorwort schreibt der Übersetzer Dr. Hermann Reinhardt Michel: „Die Liebe zur Heimat durch Einführung in die Geschichte der Heimat zu beleben, war der Zweck, um deswillen die Übersetzung … vorgenommen ward.“

Aus gleichen Gründen (und mangels einer neueren Translation) wird seine Übersetzung erneut vorgelegt.

Geschrieben von Tylo Peter (1994) / Projektgruppe „900 Jahre St.-Jacobs-Kloster“ des Heimatvereines des Bornaer Landes e. V.