Zwischen 1750 und 1850 wurde in allen zivilisierten Ländern eine erstaunlich hohe Quote unehelicher Geburten registriert. Sachsen steht dabei unangefochten vor den USA und Frankreich an der Spitze dieser Statistik. Auch das Bornaer Land machte dabei keine Ausnahme. Der Anteil unehelicher Geburten lag lange Zeit sogar höher als während des 30-jährigen Krieges, während dem Vergewaltigungen an der Tagesordnung waren.
Die Wissenschaft hat sich immer wieder gefragt, warum dies so war. Es gibt verschiedene Deutungen des Phänomens. Die einen meinen, es hätte in dem betreffenden Jahrhundert besonders starre Sitten gegeben; die anderen, es sei besonders locker zugegangen. An beiden Deutungen ist sicher etwas wahres. Die Ursache des Anstiegs unehelicher Schwangerschaften erklärt dies aber keineswegs. Feministische Historikerinnen vertraten schließlich gar die Ansicht, auch vordem seien viele Männer und Frauen außerhalb der Ehe in sexuelle Kotakte getreten; nur hätte es bis ins 18. Jahrhundert hinein halblegale Praktiken der Schwangerschaftsverhütung gegeben. Erst im 17. Jahrhundert wäre das Wissen darum als Hexerei verteufelt worden und mit der Verfolgung und Tötung weiser Frauen verloren gegangen.
Alle diese Erklärungen berücksichtigen eines zu wenig: Heiraten konnten damals nur Partner, die einander auch wirtschaftlich ergänzten. Wer der dem körperlichen Verlangen oder der Liebe nachgab, musste dies in der Regel büßen. Die Ehe war nicht zuletzt eine wirtschaftliche Angelegenheit, und das in einem Maße wie kaum je zuvor. Besonders augenscheinlich trat dies bei den Bauern zutage. Wer ein Gut erbte, musste nach seiner Hochzeit nicht selten Bruder oder Schwester auszuzahlen. Ihm blieb deshalb kaum eine Wahl: Seine künftige Frau musste schon über eine ansehnliche Mitgift verfügen.
Nur besonders starke und mutige Charaktere widerstanden dem Druck, der auf ihnen lastete. 1739 erwartete die unbemittelte Häuslerstochter Christina Meschke in Breunsdorf ein Kind vom Sohn des reichsten Heuersdorfer Bauern Andreas Moritz. Dieser Jacob Moritz stand jedoch zu seiner Liebe. Gegen den Willen der Eltern wurde er, wie es hieß, auf Anweisung des Bornaer Superintendenten mit seiner Christina getraut. Von seinen Eltern erhielt er daraufhin nur ein Pflichtteil und erwarb damit ein Häuschen in Großhermdorf. Da jedoch sein jüngerer Bruder starb und der ältere längst zu den Soldaten gegangen war, erhielt er 1744 schließlich trotz allem das elterliche Bauerngut. Obwohl ihm seine eigene Mutter so viele Steine in den Weg legte wie irgend möglich gelang es ihm, dieses Erbe zu vervielfachen. Aus seiner Ehe ging eine der begütertsten Bauendynastien des Bornaer Landes hervor.
Geschrieben von Dr. Hans-Jürgen Ketzer (2001)