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Bildung politischer Vereine

Politik ohne Parteien? – Wir können uns das wohl kaum vorstellen. Doch vor 150 Jahren steckte das politische Leben noch in den Kinderschuhen. So wählte man, um sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen, zunächst jene Form, die man zur Genüge kannte: den Verein. Die Turner gründeten Turnvereine, die Sänger Gesangsvereine, die an der Verbreitung landwirtschaftlicher Kenntnisse Interessierten organisierten sich in „ökonomischen Vereinen“. – Warum sollte es da nicht auch politische Vereine für all jene geben, die sich öffentlich engagieren wollten?

Das erschien seinerzeit ganz und gar nicht selbstverständlich. Die Politik galt weithin als ein Feld, das nur einigen Schichten vorbehalten war. Die Fürsten und ihre Regierungen hatten das letzte Wort. Ein gewisses Mitspracherecht besaßen die „Stände“, das heißt die Vertreter des Adels und einige Funktionsträger der Kirche und der Städte. Die Mehrheit des Volkes galt als politisch unmündig. Tatsächlich war es nicht weit her mit der Verbreitung von Nachrichten und mit dem Austausch von Informationen und Meinungen.

Im Frühjahr 1848 sollte alles anders werden: Auch im Bornaer Land wurde die Forderung nach Beendigung der Zensur, nach Presse- und Versammlungsfreiheit laut. Nicht zufällig entstand einer der ersten politischen Vereine am Bahnhof Kieritzsch, wo sich die Wege vieler Menschen und die Informationsströme kreuzten. Zuerst bildeten sich allerorten die „Deutschen Vereine“, denn in einem Ziel, der politischen Einigung Deutschlands, stimmten die meisten überein. Die Ansichten darüber, ob man breite Volksschichten, etwa in Form allgemeiner und gleicher Wahlen, in die politischen Bestrebungen einbeziehen sollte, gingen hingegen weit auseinander. Für eine Demokratie nach heutigem Verständnis plädierten die „Vaterlandsvereine“.

Solche gab es in Borna, wo rund 400 Mitglieder beteiligt waren, in Frohburg, Kohren, Groitzsch, Pegau und Lausick. Aber auch in manchen Dörfern schlossen sich Bewohner aus den umliegenden Ortschaften zusammen. So ist in den Akten von einem „Vaterlandsverein“ in Hagenest, der 61 Angehörige aus 4 Dörfern umfasste, und einem in Kleinstolpen die Rede, als dessen Obmann der in Heuersdorf lebende Alexander Clarus Heinze tätig war.

Geschrieben von Dr. Hans-Jürgen Ketzer (2003)