1. Home
  2. Dokumente
  3. Leipzig 1813
  4. Die Sage vom Tatarengrab

Die Sage vom Tatarengrab

Am Waldrande bei Kleinbeucha liegt das Tatarengrab. Zwei Porphyrplatten mit fremden Schriftzeichen bedecken es; zwei Linden, eine zu Häupten, die ändere zu Füßen, beschatten den Hügel. Hier ruht der tote Hetmann der Tataren. Wahrlich ein schöner Ort, an dem er ungestört von Rossgewieher und Schlachtengetöse von seiner fernen Heimat träumen kann. Tapfer kämpfte er in der Schlacht bei Leipzig. In einem Gefecht bei Kleinbeucha wurde er schwer verwundet. Seine Getreuen brachten ihn in das Dietrichsche Gut, wo er starb.

Jahre sind vergangen. Wieder ist Herbst. Goldener Sonnenschein lagert über den Feldern, wo der Schäfer mit seinem treuen Wolf die Schafe hütet. Da stört auf einmal etwas Sonderbares die Stille. Die furchtsamen Schafe drängen sich zusammen. Wolf, der mutige, allzeit kampfbereite Kumpan verkriecht sich ängstlich hinter seinem Herren. Da kommt ein kleines Männlein mit langem weißen Barte auf den Schäfer zugetrippelt. Der schaut auf, lässt den Strickstrumpf fallen und blickt mit großen verwunderten Augen den Zwerg an. „Nimm dies“, spricht der Zwerg, „es ist ein Zauberbuch, wodurch du dir großen Reichtum verschaffen kannst. Greife schnell zu, denn nur einmal aller hundert Jahre darf ich meinen Schatz einem Menschen anbieten.“

Der fromme Schäfer aber wendet sich ab. Redliche Arbeit ist sein Leben lang seine Freude gewesen. Darum mag er nichts mit Zauberei zu tun haben. Da geht das Männlein wieder davon. Beim Tatarengrab verschwindet es im Walde. Dort, wo noch heute Mauerreste eines verschwundenen Dorfes zu sehen sind, muss es nun wieder hundert Jahre schlafen.

Heimatblätter aus dem Bornaer Land, Heft 7, 1998, S. 73; Heimatverein des Bornaer Landes e. V.